Die Unruhe vor dem Nordpol-Sturm «The three Poles»

Veröffentlicht vor 3146 Tagen

Mein Expeditions-Projekt

«90°North – 100% Commitment» aufzugleisen bedeutet pickelharte Vorarbeit. Zum Vergleich: Eine Expedition auf einen 8000 Meter hohen Berg im Himalaja stelle ich innerhalb einer Woche auf die Beine. Um mich auf den Weg zu einem 8000er aufzumachen brauche ich, grob gesagt, nur den Entschluss zu fassen, die Formalitäten zu erledigen, mich mit den richtigen Menschen zusammenzutun, zu packen und loszuziehen. Ich bin seit 32 Jahren Alpinistin, seit 25 Jahren Berufsbergführerin. Berge liegen nicht nur in meinem Blut, sie sind mein Blut.

Eine ganz andere Vorbereitungszeit frisst eine Nord- oder Südpol Expedition. Für mein bevorstehendes Expeditionsprojekt von der Schweiz bis zum Nordpol investiere ich jetzt schon über zwei Jahre Zeit und viel Geld. Und würde ich die Kältetrainings, die ich bereits vor zwölf Jahren im hohen Norden der Arktis unternommen hatte, hinzurechnen…  Nun gut: Deren Erfahrungen konnte ich in meine Expedition zum Südpol einfliessen lassen. Gott sei Dank mit Erfolg. Nach dem höchsten Punkt unserer Erde, dem Gipfel des Mount Everest, bedeutete das Ankommen am Südpol aus eigener Muskelkraft, mein «Zweiter Pol».

Und jetzt folgt mein «Dritter Pol», der Nordpol. Grossabenteuer wie die eben erwähnte, 484 Tage dauernde «Expedition Antarctica» zum Südpol vor acht Jahren und meine bevorstehende «90°North – 100% Commitment»–Expedition zum Nordpol, brauchen neben allen physischen Grundvoraussetzungen vor allem eines: Die Bereitschaft im Kopf. Die Hundert prozentige, mentale und geistige Zusage für das Ziel, von dem man weiss, dass es einen in seiner Härte erneut an die Grenzen und zeitweise darüber hinaus fordern wird. Eine solche innere Bereitwilligkeit entsteht nicht über Nacht. Es ist das jahrelange, langsame Heranwachsen einer Kraft, einer Energie, die nach aussen unsichtbar ist, von welcher aber alles abhängt. Vor allem das Überleben. Deswegen trägt meine Nordpol-Expedition auch den Namen «90° North – 100% Commitment». 90 Grad nördliche Breite beschreibt den geographischen Nordpol. Um dieses Ziel aus eigener Muskelkraft erreichen zu können, braucht es dieses 100%-ige Commitment, diese 100%-ige, innere Verpflichtung gegenüber dem bevorstehenden Ziel. Es ist das Bejahen von Ängsten und Zweifel, von Mängel und Unsicherheit. Es ist das Eintauchen in eine bedrohliche Welt, die alles von einem abfordert, alles von einem wegnimmt. Und wo man nichts mehr verlieren kann, wo das Überleben das einzige ist, das übrig bleibt, dort ist der Punkt, wo man alles gewinnt.

Am 21. Mai 2016 ist Aufbruch.

Eure Evelyne