Trondheim, Norwegen. Die ersten 2000km auf dem Tourenvelo sind geschafft

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Blog 3,  14. Juni 2016,

Das Wetter zeigt sich von der schönsten Seite, die Sonne scheint, kein Wind und trotzdem sitze ich schnell vor den Computer, um einen kurzen Blog zu schreiben. Ich habe gestern einen Campingplatz ganz in der Nähe von Trondheim (nach Oslo und Bergen die drittgrösste Stadt Norwegens) gefunden. Hier habe ich mich in eine «Hytta», in ein winziges Häuschen verkrochen, anstatt das Zelt aufzubauen. Ich bin in Stadtnähe, ich merke es den Menschen an, es ist mehr Hektik, mehr Geschäftigkeit in ihnen als in jenen Menschen, welchen ich, als ich mich in stetigem Rauf und Runter und im Gegenwind (nein es war Windstärke 6 und für einen Tourenvelofahrer bedeutet dies gleichermassen Sturm) durch das Bergland kämpfte, begegnet bi

In diesem Bergland sah ich Elche in Tannenwälder und Rentiere, gut getarnt, in Birkenwäldern. Der Elch, man würde es in der Helikopterfliegerei (ich entschuldige mich für den gedanklichen Sprung – ich war Berufspilotin…) «kopflastig» nennen, mit seinem riesigen, schweren Kopf, der irgendwie nicht zu seinem zarten und schlanken Hinterteil passt. Eigentlich müsste er (so denkt man eben als Pilot in Bezug auf das «Center of Gravity», dem Schwerpunkt) über seine Vorderhufe stolpern. Aber sowohl der Elch wie auch das Rentier, trabt in einer wunderschönen Eleganz durch das Gehölz der Wälder, es eine wahre Augenweide.

Ich bin jetzt drei Wochen unterwegs, habe es in dieser Zeit von vor meiner Haustür in der Schweiz, mit meinem Tourenvelo bis in das 2000km entfernte Trondheim in Norwegen geschafft. Nochmals dieselbe Strecke, und ich bin am Nordkap angelangt und damit habe ich die erste Etappe von vier auf dem Weg zum Nordpol geschafft. Unterwegs dachte ich immer: Trondheim, das ist das Erreichen der ersten Hälfte meiner ersten Etappe auf dem Weg zum Nordpol, ein Zwischenziel, und dies wird in mir spezielle Gefühle hervorholen. Ich bin aber ganz gelassen. Dankbar. Ich weiss, ich hatte, seit ich meine Füsse nach dem furchtbar nassen Deutschland auf trockenen, schwedischen Boden gesetzt hatte, viel Wetterglück, ausser dem sehr starken Gegenwind. Zehn Tage am Stück Sonnenschein in Skandinavien, ausser an meinem einzigen Ruhetag, den ich nach den Gegenwind-Sturmtagen einlegen musste, weil meine Beine nicht mehr konnten, als es Schnee aus den Wolken flöckelte.

Der Wetterwechsel kommt bestimmt und mit der Nässe die Kälte und mit beidem in Kombination der Frust und der Ekel. Deswegen bin ich jetzt ganz ruhig, dankbar für die guten Tage die waren, trotz ihrer gewissen Härte, den Unsicherheiten für einen guten Schlafplatz abends, wenn man müde ist und trotz des Hungers zwischendurch, weil man sich tagelang nur von Früchtemüesli und Nüsse ernährt, da weit und breit kein Restaurant oder Dorfladen anzutreffen, und wenn, dann oft geschlossen ist. Die Industrie hat den Kleinmarkt verdrängt, die Supermärkte haben die Dorfläden weggefegt, die Lebensmittelkontrollen und die Agrarpolitik ein Überleben des Kleinhandels verunmöglicht. 50 Kilometer macht man heute mit dem Auto um einkaufen zu gehen, im Supermarkt, nicht nur hier in Norwegen. Mit dem Tourenvelo bedeutet es eine halbe Tagesetappe, bei Gegenwind und vielen Steigungen ein unglaublicher Kraftaufwand. Auch deswegen reise ich so, wie ich reise. Ich werde feinfühlig für die Dinge, die Menschen, die Zusammenhänge. Ich bringe das zwar hier nicht in dem Masse zum Ausdruck, wie ich das fühle, aber immerhin, ein paar Zeilen bei bestem Wetter, ein paar Gedanken zum Tag. Und wieder packe ich meine Velotaschen, lade das Gepäck auf das Fahrrad, radle los, immer dem Norden entgegen, stundenlang. Trondheim ist mir eine Kaffeepause wert. Das Leben ist einfach.

Herzlich, eure Evelyne

  • Etappe 1: Fahrradstrecke von der Schweiz bis ans Nordkap 4500km von Mai bis Juli 2016
  • Etappe 2: Zu Fuss Durchquerung des grönländischen Inlandeises 600km auf Ski von Aug. bis Sept. 16
  • Etappe 3: Zu Fuss Durchquerung Spitzbergen 200-400km auf Ski im März 2017
  • Etappe 4: Zu Fuss von russischer Eisstation bis Nordpol und zurück 200-400 km im April 2017