Um den Alpinismus zu fördern, organisierte die UIAA (Union International Assosation de l‘ Alpinisme) jährlich Expeditionen ins Ausland. 1993 gelangte ich aus diesem Grund zum ersten Mal als Bergführerin in den Karakorum, nach Pakistan. Edward Bekker, Jürg Wilz und ich wurden als Bergführer für das 24 Teilnehmer starke Team bestehend aus 14 verschiedenen Nationen, angeheuert. Engländer, Amerikaner, Südafrikaner, Iraker, Pakistani, Franzosen, Deutsche, Holländer und weiss ich nicht mehr, von wo überall auf der Welt wir uns in Islamabad, am Ausgangspunkt und der Hauptstadt von Pakistan, zusammenfanden.
Zwei Möglichkeiten führen in die Basislager von K2, Broad Peak, Hidden Peak und Gasherbrum 2:
Nach einer mehrtätigen Fahrt über den halsbrecherisch gefährlichen Karakorum-Highway (eine Schotterpiste mit Absturzgefahr in den bis zu tausend Meter tieferliegenden Fluss) von Islamabad nach Skardu und weiter bis Askole und von hier zu Fuss über den gewaltigen Baltoro-Gletscher und den Konkordia-Platz, oder ebenfalls über Skardu, dann aber via Hushe zu Fuss über den Chondogoro-Gletscher und den gleichnamigen Pass, ebenfalls zum Konkordia-Platz, wo sich der 60 Kilometer lange Baltoro-Gletscher verzweigt. Lingks geht’s zum K2 und Broad Peak, rechts zum Hidden Peak und Gasherbrum 2.
Unser Ziel waren aber nicht die berühmten 8000er des Karakorums (der steinernen Wüste), sondern völlig unbekannte und unbestiegene 5000er und 6000er am Ende des Hushe-Tals, wo wir auf 4200 Meter unser Basislager errichteten.
Unsere Erstbesteigungen waren keine, die ins Guinnessbuch der Rekorde gehören. Aber wir erlebten, wie wir Alpinisten aus 14 verschiedenen Nationen und unterschiedlicher Religions-Zugehörigkeit, gemeinsam anspruchsvolles Neuland entdecken konnten, einander vertrauen und respektieren konnten. Am Ende der fünfwöchigen Expedition hatten wir elf Gipfel zwischen 5000 und 6200 Meter erstbestiegen, Routen von «einfach» bis «schwierig». Wir gaben ihnen Namen, die Mädzen-Spitze, der Sepp-Jansen-Peak und zu meiner Schande muss ich zugestehen, dass ich die anderen Namen der Gipfel vergessen habe. Ich müsste im Archiv wühlen gehen, um sie herauszufinden.
Viel mehr in Erinnerung als die Namensgebung der Gipfel, bleibt mir das Erlebnis, als ich mit den «Baltis», den Trägern, die uns halfen unsere Ausrüstung ins Basislager zu tragen, Fussball spielte. Ja, ich spielte Fussball mit den Männern! Und es gab damit absolut kein Problem. Man muss wissen, dass die «Balti» ein pakistanisches Bergvolk mit sehr strengen, muslimisch-religiösen Regeln sind.
Als ich 2010 wieder in Pakistan war, wäre dies unmöglich gewesen. Das Land hat sich verändert. So war es einem westlichen Arzt nicht erlaubt, einer gebärenden Frau zu helfen, deren Kindlein in Steisslage war. Sie starb.
Hoffnung für das religiös radikaler werdende Land gibt das Hunza-Volk, eines der 43 unterschiedlich orientierten muslimischen Völker Pakistans. Deren Anführer, Aga Khan, lehrt die Menschen in diesem wunderschönen Bergtal, dass es wichtig ist, dass die Frauen, denen die Ausbildung anderswo in ihrem Land oft verwehrt bleibt, dringend ausgebildet werden müssen. Denn es sind die Frauen, welche die Kinder grossziehen. Es sind die Frauen, die ihr Wissen, ihre Bildung, an ihre Kinder weitergeben. Im Hunza-Tal leuchtet das auch den Männern ein. Sie fördern ihre Frauen und damit eine bessere Welt für Männer, Frauen und Kinder.
Pakistan ist kein Land, das ich so schnell wieder bereisen möchte. So bleibe ich vorläufig auch von seinen Bergen fern und trage die schönen Begegnungen mit den in Pakistan lebenden Menschen, in meinem Herzen.