Wenn das Wasser bergauf fliesst und die Möven Rutschbahn fahren
Blog 4, 23. Juni 2016,
Eigentlich sollte ich meine eigene Homepage besser pflegen und öfter schreiben. Irgendwie möchte man es auf der eigenen Seite speziell gut machen, aber dafür, muss ich merken, fehlt mir dann abends jeweils die Kraft und poste lieber etwas ruckzuck auf Facebook. Da schreiben Menschen Kommentare, ganz lustige, die mich immer wieder aufbauen. Die eigene Homepage ist eher ein Monolog. Aber hier kommt er, der vierte Blog:
Etwas zwischen faulen 46 bis zu leistungsstarken 187 Kilometern pro Tag bin ich seit meinem Start vor der Haustür am 21. Mai auf meinem Tourenvelo Richtung Norden gefahren, mit meinen 35 Kilogramm Gepäck, Zelt, Schlafsack, Küche, Computer und natürlich leichtere Sachen wie Ersatzwäsche, das tägliche Essen, auch mal für 2 Tage (dann allerdings kann man die Nahrung nicht mehr unter «leicht» aufzählen, weil ich doch täglich 5000 bis 6000 Kalorien verbrenne und diese Energie in Form richtiger Lebensmittel zu mir nehme, also nicht als sportwissenschaftliche Hightech-Superleicht-Nahrung) und, ach ja, nicht zu vergessen, natürlich meine Fotoausrüstung. Nahe um 3300 Kilometer beträgt die bisher zurückgelegte Distanz, ich weiss es nicht so genau, ich zähle nicht was ich geradelt bin, sondern was ich noch «trätte» werde und das sind noch etwas über tausend Kilometer bis zum Nordkap, dem Ziel meiner ersten Etappe auf dem Weg zum Nordpol.
Im Prachtswetter durch die Schweiz gestartet, leider ist sie so klein und dauerte nur eineinhalb Tage, dann im Dauerregen bis zur Ostsee, mit trockenen Füssen durch Schweden und Südnorwegen weitergeradelt und wegen wettertechnischen Herausforderungen auch ab und zu mit moralisch gedämpfter Stimmung durch Mittel- und Nordnorwegen bis hierhin wo ich jetzt bin, am Südzipfel der Lofoten. Doch alles in allem bin ich von mir selber erstaunt, wie gut ich mich als Alpinistin auf dem Fahrrad tue, vor allem wie gut mein Po es tut, habe ich doch zur Vorbereitung auf die 4600 Kilometer lange Velotour von der Schweiz bis ans Nordkap mein Fahrrad wegen viel zu tollen Skitourenverhältnissen nur dreimal ausgefahren, jeweils nur für eine Stunde, weil ich ja gar nicht gerne Velo fahre. Es sei denn, für ein definiertes Ziel, wie eben jetzt, auf dem Weg zum Nordpol, den ich dann zu Fuss auf Skiern im Eis angehen werde, nicht jetzt, später, aber eben so, wie ich das damals getan habe, vor zehn Jahren, aus eigener Muskelkraft von der Schweiz bis zum Südpol.
Ich bin abgedriftet. Der Titel «Wenn das Wasser bergauf fliesst und die Möven Rutschbahn fahren» habe ich gewählt, weil das Wasser, dort, wo ich heute war, tatsächlich bergauf fliesst, mindestens zu bestimmten Zeiten und die Möven tatsächlich Rutschbahn fahren, nämlich dann, wenn die bestimmten Zeiten eintreffen: Der Saltstraumen ist der stärkste Gezeitenstrom der Welt, unweit von der Stadt Bodö entfernt. Wenn die Flut kommt, staut im Fjord eine Landenge das ansteigende Wasser und verursacht, dass es taleinwärts zu einer Strömung kommt, hin zu den Bergen. Die Möven, die dort brüten, ich habe zuerst meinen Augen nicht getraut und mich dann gekrümmt vor Lachen, haben zu Hunderten ein riesiges Gaudi daran. Sie fliegen an den Punkt, wo die Strömung beginnt, setzen sich auf das Wasser und lassen sich bis dort, wo sich die Strömung wieder beruhigt, im kräuselnden, gurgelnden und wirbelnden Wasser taleinwärts treiben. Dort angekommen fliegen sie zurück an den Ausgangspunkt und beginnen das Spiel von Neuem. Es ist ein wahres Spektakel.
Übermorgen radle ich nach einem Ruhetag auf den Lofoten nordwärts. Mein Magen ruft mir zu: «Ich will mich wieder einmal sattessen»! Dafür brauche ich einen Tag.
Auf bald, eure Evelyne
- Etappe 1: Fahrradstrecke von der Schweiz bis ans Nordkap 4500km von Mai bis Juli 2016
- Etappe 2: Zu Fuss Durchquerung des grönländischen Inlandeises 600km auf Ski von Aug. bis Sept. 16
- Etappe 3: Zu Fuss Durchquerung Spitzbergen 200-400km auf Ski im März 2017
- Etappe 4: Zu Fuss von russischer Eisstation bis Nordpol und zurück 200-400 km im April 2017